Stellungnahme des Kolping-Bildungswerks Bayern zur Situation junger Flüchtlinge

Perspektiven bieten!

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08.01.2015

In einer am Dreikönigstag 2015 veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme von Beirat, Aufsichtsrat und Vorstand des Kolping-Bildungswerks Bayern setzen sich die Verantwortlichen und Beiräte des Landesverbands der bayerischen Kolping-Bildungsunternehmen nachdrücklich dafür ein, jungen Flüchtlingen in Bayern Perspektiven für ihre gesellschaftliche Teilhabe zu eröffnen. Das Kolping-Erwachsenenbildungswerk und das Kolping-Bildungswerk in der Diözese Augsburg gehören auch dem Landesbildungswerk an.

„Alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zu uns kommen, brauchen von Anfang an Förderung und Unterstützung“, betont die Vorsitzende des Beirats und Vizepräsidentin der Hochschule München, Prof. Dr. Gabriele Vierzigmann, anlässlich der Veröffentlichung von sechzehn konkreten Hinweisen auf Rahmenbedingungen, die verbessert werden sollten. „Wir sprechen uns beispielsweise für jugendgemäße Unterbringung, ausreichende schulische Angebote und Hilfen zur Berufsausbildung aus. Damit verbinden wir die Hoffnung, dass möglichst viele Verantwortliche in Politik und Verwaltung an ihren jeweiligen Stellen das aufgreifen, was sie zu einer Verbesserung der Situation dieser jungen Menschen beitragen können.“

Das Kolping-Bildungswerk Bayern dankt allen, die sich bereits jetzt für junge Flüchtlinge einsetzen. „Gerade auch unsere Kolping-Organisationen vor Ort beweisen an ganz vielen Stellen durch ihr Tun vorbildlich, wie hilfreich es ist, diesen jungen Menschen würdevoll, mit Achtung und Respekt zu begegnen“, lobt der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Thomas Goppel MdL das vielfältige Engagement. „So können wir nicht zuletzt die Botschaft des heutigen Evangeliums mit Leben füllen: ‚Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.’“

Axel Möller, der Vorsitzende des Vorstands des Kolping-Bildungswerks Bayern, zeigt sich froh über das breite Bündnis, das hinter diesem Aufruf steht: „Das ist ein starkes Signal für Toleranz und Integration und für den gemeinsamen Willen, gutes Zusammenleben zu organisieren. Doch nun müssen den Worten Taten folgen – langfristig und nachhaltig, aber auch ganz unmittelbar und unbürokratisch.“

Stellungnahme

Der Beirat des Kolping-Bildungswerks Bayern e. V. hat sich in seiner Oktober-Sitzung 2014 intensiv mit der Situation junger Flüchtlinge in Bayern befasst. Er sieht die im Jahr 2014 gestiegene und sicherlich in nächster Zukunft weiterhin steigende Anzahl junger, häufig unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge als eine enorme Herausforderung und zugleich als eine Chance für das gesellschaftliche Zusammenleben in Bayern an. Die Situation betrifft alle Gemeinwesen, Politik und Verwaltung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene und nicht zuletzt die Kirchen mit ihren Pfarreien und Organisationen, zu denen auch Kolping gehört.

Das Kolping-Bildungswerk Bayern möchte allen danken, die sich für eine menschliche und sichere Aufnahme und Unterbringung der jungen Flüchtlinge einsetzen und sich für Perspektiven für diese jungen Menschen engagieren: den vielen Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen sowie den Verantwortlichen in Politik, Regierungen und Kirchen. Dieses Engagement ist großartig und muss verstärkt werden.

Nicht zuletzt die Gliederungen von Kolping selbst machen den jungen Flüchtlingen Angebote vielfältiger Art: Viele hunderte junger Frauen und Männer kamen und kommen schon in den Genuss von Hilfen, die sich an den christlichen Werten Adolph Kolpings orientieren. Hier wird den Menschen in ihrer besonderen Lebenssituation würdevoll, mit Achtung und Respekt begegnet. Diese Angebote, die sich aktuell im weiteren Ausbau befinden, reichen von der Unterbringung in Jugendwohnheimen über die Beschulung im Berufsintegrationsjahr bis hin zu Berufsorientierung und -ausbildung.

Um solche Angebote angemessen und hilfreich ausbauen zu können, müssen jedoch die Rahmenbedingungen stimmen. Und da gibt es über das Erreichte hinaus noch viel zu tun. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass ….

  1. … jungen Flüchtlingen zur Unterstützung ihrer Eingliederung in Ausbildung und Beruf geeignete Angebote im Rahmen des SGB VIII (Jugendsozialarbeit), wenn nötig in Kombination mit Leistungen des SGB II/III, gemacht werden.
  2. ... dann, wenn junge Flüchtlinge Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (insbesondere Berufsausbildungsbeihilfe, ggf. auch Maßnahmen wie BvB, BaE etc.) brauchen, diese so früh wie möglich gewährt werden – nicht erst nach vier Jahren, wie es das SGB III bislang vorsieht, oder, wie derzeit in Planung, nach 15 Monaten ab 2016.
  3. ... das Absolvieren einer Berufsausbildung sowie zwei weitere anschließende Berufsjahre im Interesse des jungen Menschen und des Betriebs mit einem gesicherten Aufenthaltstitel verbunden sind.
  4. ... spezialisierte Clearing-, Beratungs- oder Assistenzangebote die Jugendlichen, die Betriebe und die Berufsschulen bei Schwierigkeiten in der Berufsausbildung begleiten und unterstützen.
  5. ... das kooperative Berufsintegrationsjahr sowie die neuen Vorklassen hierzu als notwendiges berufsschulisches Förderangebot zügig und bedarfsgerecht weiter ausgebaut werden.
  6. ... die im Ausbau befindlichen und sinnvollen Klassen für junge Flüchtlinge an Berufsschulen für diese Zielgruppe unter bestimmten Voraussetzungen auch an Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung eingerichtet werden, da hier Kompetenzen im Umgang mit förderungsbedürftigen Zielgruppen vorhanden sind.
  7. ... Deutschkurse als schulische Veranstaltungen in Verantwortung des Freistaats Bayern jungen Flüchtlingen die sprachlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verlauf ihrer Berufsausbildung schaffen durch die Möglichkeit, die deutsche Sprache bis zum Kompetenzniveau B2 zu erlernen.
  8. … auch während der beruflichen Ausbildung eine Vertiefung der Sprachkenntnisse erfolgt (etwa durch einen sprachsensiblen Fachunterricht an allen Berufsschulen).
  9. ... die staatlich geförderten Stellen in der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) als sozialpädagogisches Förderangebot an Regelschulen deutlich ausgebaut wird und den Fachkräften Qualifizierungsangebote zur Arbeit mit den jungen Flüchtlingen und ihren vielfältigen Traumatisierungen gemacht werden.
  10. ... landesweit genügend therapeutische Angebote für traumatisierte Jugendliche zur Verfügung stehen.
  11. ... die Unterbringung Minderjähriger in der Inobhutnahme wie in Nachfolgeplätzen sich stets auch an den individuellen Bedarfen der Jugendlichen orientiert. Bewährte Standards der Jugendhilfe zu diskutieren darf dabei nicht heißen, diese voreilig zur Disposition zu stellen.
  12. ... dann, wenn junge Flüchtlinge in Einrichtungen der Jugendhilfe volljährig werden, mit diesen zusammen eine tragfähige, zunächst weiterhin jugendhilfeorientierte Perspektive entwickelt wird, bei der anstelle einer Überführung der jungen Volljährigen in eine Gemeinschaftsunterkunft das Wohnen in der Jugendhilfe oder in privaten Räumen stets Vorrang haben sollte.
  13. ... eine bayern- und deutschlandweite gerechte Verteilung in der Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ermöglicht, in der praktischen Durchführung dabei aber so umgesetzt wird, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen stets an erster Stelle steht.
  14. ... kommunal und überregional, in Kirchen und Verbänden zeitnah tragfähige und vertrauensvolle Netzwerke geschaffen werden, die eine offene Kommunikation und effektive Kooperation in allen Fragen der Unterbringung und Alltagsbetreuung gewährleisten.
  15. ... die Verantwortlichen sowie alle Akteure vor Ort stets abgestimmt, sachgerecht und zielgerichtet zusammenarbeiten.
  16. ... die reguläre Arbeit für junge Menschen mit Unterstützungsbedarf und die konzeptionellen Angebote für junge Flüchtlinge eng verknüpft und in ihren Zielsetzungen aufeinander abgestimmt sind.

Diese kurz- und mittelfristig dringend notwendigen Anpassungen erfordern das Engagement vieler. Die unterschiedlichen Parlamente und Räte, Ministerien und Behörden sowie Verbän de sind gebeten, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten derjenigen Sachverhalte anzunehmen, die sie jeweils betreffen: Die entsprechenden Mittel müssen bereitgestellt und Gesetze sowie Verordnungen angepasst bzw. großzügig im Interesse der jungen Menschen ausgelegt werden.

Vor Ort braucht es gute Kommunikationsstrukturen und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, damit Transparenz hergestellt wird, Hilfsangebote effizient umgesetzt werden, Vorurteile frühzeitig abgebaut werden können und die jungen Flüchtlinge als eine Bereicherung für das Zusammenleben – und nicht zuletzt als zukünftige Fachkräfte für die Wirtschaft – gesehen werden. Gerade auch hierbei sind die bei Kolping und in den Kirchen Engagierten als Vorreiter gefragt.

Wenn die aktuelle Not durch pragmatische Maßnahmen gelindert wurde, so sollte in Ruhe und unter breiter Beteiligung konzeptionell über zukünftige, tragfähige Hilfe- und Arbeitsstrukturen im Umgang mit den jungen Flüchtlingen beraten werden.

 

Diese Stellungnahme wird getragen von den Mitgliedern des Beirats sowie des Aufsichtsrats und des Vorstands des Kolping-Bildungswerks Bayern e. V.

Kolping-Bildungswerk Bayern
08.01.2015
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Beirat: Prof. Dr. Gabriele Vierzigmann (Vizepräsidentin Hochschule München); Dr. Josef Amann (Leiter der Abteilung Berufsbildung der IHK für München und Oberbayern); Thomas Gehring, MdL (Bündnis 90 / Die Grünen, Schulpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion); Eva Gottstein, MdL (Freie Wähler, Stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion); Katharina Joho (DGB-Bezirk Bayern, Abteilung Bildungspolitik); Ferdinand Pilzweger (Geschäftsführer Agentur für Arbeit Weilheim); Dr. Georg Schärl (Stv. Leiter Abteilung Berufliche Bildung und Prüfungswesen der Handwerkskammer für München und Oberbayern); Joachim Unterländer, MdL (Christlich-Soziale Union Bayern CSU, Stv. Vorsitzender im Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit des bayerischen Landtags); Ruth Waldmann, MdL (Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Inklusion der Landtagsfraktion); Prälat Dr. Lorenz Wolf (Leiter Katholisches Büro Bayern)

Aufsichtsrat: Dr. Thomas Goppel, MdL (Staatsminister a. D.); Stefan Bothe (Geschäftsführer Kolping-Bildungswerk Mainfranken); Erwin Fath (stv. Landesvorsitzender Kolpingwerk Bayern); Domvikar Christoph Huber (Landespräses); Bernd Sibler, MdL (Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Wissenschaft); Wolfgang Simon (Kolpingwerk Bayern);

Vorstand: Axel Möller (Vorsitzender Kolping-Bildungswerk Bayern); Willi Breher (Vorstand Kolping-Bildungswerk Bayern); Michael Kroll (Vorstand Kolping-Bildungswerk Bayern)