Treffen Arbeitnehmervertreter der Handwerkskammer für Schwaben

Reife Menschen in der Arbeitswelt

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18.04.2016

„Wären doch meine Studenten auch so interessiert an diesem Thema wie sie, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, so fasste Prof. Dr. Guggemos den Themenabend im Kolpinghaus in Augsburg zusammen. DGB Augsburg und Kolping luden die gewählten Arbeitnehmervertreterinnen und –vertreter und deren Stellvertreterinnen und -vertreter in der Vollversammlung der Handwerkskammer für Schwaben am 14. April 2016 zum Thema „Reife Menschen in der Arbeitswelt und im Übergang zum (Un-) Ruhestand“ ein.

Prof. Dr. Peter Guggemos, Professor für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Mannheim, brachte das Thema den 19 Teilnehmenden näher. Eindrücklich wurde an Zahlen, Daten und Fakten zur Erwerbstätigkeit Älterer (auch über 65 Jahre hinaus – freiwillig oder aus Not) in die Problematik eingeführt.

So war die erste Fragestellung: Welche Zugänge hat die Wissenschaft zu Personalthemen?

  • Die Wissenschaft sieht betriebliche Personalpolitik als eine längerfristige und strategische Angelegenheit.
  • Sie analysiert Erwerbsbiografien, von Berufswahl(-vorbereitung) über Ausbildung, Einstellung und Entwicklung in Firmen (ggf. „zweite Karriere“, Ruhestandsvorbereitung und Übergang in Rente, Aktivitäten und Lebensgestaltung im Alter 60/65plus).
  • Sie überlegt wie Firmen neue Gruppen von Beschäftigten erschließen können.

Des Weiteren wurden erläutert: Veränderte Rahmenbedingungen: ältere, weiblichere, buntere Belegschaften.

Wir werden uns künftig auf mehr Beschäftigte einstellen müssen, die unter Umständen anders geführt und disponiert werden müssen als bisher:

  • Ältere und Menschen mit Behinderung (manche mit Leistungswandlung, manche mit reduzierten Zeitkontingenten)
  • Menschen mit Familienverantwortung (Kinder/Pflege)
  • Menschen mit Migrationsbiografie/anderem Kulturhintergrund

Die Herausforderung „50plus“ ist damit nur eine im Bereich.

So waren 2005 6% Erwerbstätige 65-69 Jahre. 2014 waren es bereits 14%. Knapp 500.000 Personen von 17 Mio. Menschen der Altersgruppe 65+ bezogen Ende 2013 Grundsicherung.

Untersuchungen, weshalb Menschen der Gruppe 65plus (weiter-)arbeiten, deuten auf ein Motivbündel hin: Kompetenzerfahrung, Sinnstiftung, Geld, Sozialkontakte, Hinauszögern des Älterwerdens.

Jedoch ist neben dem Weiterarbeiten Wollen auch das Können (z.B. Gesundheitlich) und das Dürfen (betrieblich) ein Thema.

Arbeitsleistung ist gestaltbar: Wie gut und wie gerne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (weiter-)arbeiten, liegt auch an

  • der Mitarbeiter-Führung (Wertschätzung, Aufgabenklarheit, Zugang zu den Kompetenzen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden, Umgang mit Problemen);
  • dem Betriebsklima (Fairness, Kollegialität, Solidarität, Humor);
  • der Arbeitsgestaltung und –organisation;
  • Investitionen in Mitarbeiter-Qualifikationen;
  • einer präventiv angelegten Gesundheitsförderung;
  • dem Umgang mit Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (bzw. außerbetrieblichen Lebensbereichen);
  • Berücksichtigung der „Leistungswandlung“ (anderer Begriff für alternsgerechte Arbeitsleistung);
  • Mitarbeiter wünschen sich Potenzial-orientierte (statt Defizit-orientierte Arbeitsformate;
  • mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit (Lage, Dauer) und dem Arbeitsort (Home-office-Möglichkeit);
  • individuelle Lösungen mit gleitendem Ruhestandsübergang statt Blockmodell (75%);
  • Arbeiten soll erfahrungsorientiert, aber weniger körperlich belastend sein;
  • Motivation durch Anerkennung von Erfahrung, Fairness, Wertschätzung, Gestaltungsspielräume und eigenständige Verantwortung.

Tätigsein jenseits des Gelderwerbs

  • Blick auf Ehrenamt/Vereins- und Verbandsengagement, Kirchen-Engagement, Selbsthilfegruppen, Gewerkschaften, Parteien
  • Blick auf Kinderbetreuung und Pflege
  • Frauen sind mehr engagiert in Kinderbetreuung und Pflege, sowie in Kirchengemeinden (22% zu 10%)
  • Im Alter um die 70 sind Männer gleichermaßen Pflege-engagiert

Was könnte die Politik machen?

  • Unterschiede in den Lebenslagen stärker berücksichtigen (Tätigkeit, Gesundheit, Bildungsvoraussetzungen, Geschlecht)
  • Renteneintrittsalter flexibilisieren (nicht nur nach oben)
  • firmeneigene Lösungen fördern & bezuschussen
  • Integrationsbetriebe für gesundheitlich angeschlagene 55+-Erwerbslose

Nach einer regen Diskussion zu den verschiedenen Themen und vor allem zu eigenen beruflichen Erfahrungen der Anwesenden war einhelliger Tenor: Ein gelungener und interessanter Abend.

Karl Schneider
18.04.2016
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