Blattern- und Cholera-Epidemie begegnen Kolping in Köln

Adolph Kolping steht Kranken bei

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20.03.2020

„Kranke Menschen erfreuten sich einer besonderen Fürsorge durch Kolping. Als Schüler pflegte er einen an Blattern erkrankten früheren Mitgesellen. Als man ihn vor der ansteckenden Krankheit warnte, war seine Antwort: ‚Meine Hilfe ist hier nötig, also muss ich sie leisten. Für das Weitere wird Gott sorgen.‘ Als Student in München nahm er sich besonders seines kranken Freundes Joseph Brinkmann an… Das schönste und tiefste Beispiel seiner Nächstenliebe gab Kolping aber durch seine Tätigkeit im Bürgerhospital zu Köln während der Choleraepidemie im Jahre 1849.

Das Krankenhaus sandte damals einen Boten in die Domsakristei, um einen Geistlichen zu bitten, für ein paar Stunden auszuhelfen, weil der Anstaltsgeistliche erschöpft sei. Kolping erklärte sich sofort bereit. Er half aber nicht nur einige Stunden, sondern solange die Cholera in Köln wütete, nämlich von Juli bis November 1849. Tag und Nacht stand er an den Krankenlagern, um zu trösten und den Sterbenden die Sakramente zu spenden. Seine ganze Liebe gehörte damals den Kranken und Sterbenden. Als man ihn an seine Mission für die Handwerksgesellen erinnerte und die Sorge aussprach, er könnte diese Aufgabe durch eine eigene Ansteckung aufs Spiel setzen, soll er geantwortet haben: ‚So einen wie mich kann unser Herrgott alle Tage haben.‘

(aus: Heinrich Festing, Was Adolph Kolping für uns bedeutet, Freiburg1985, S. 91-92)

Eine Brücke von Mensch zu Mensch

Wilhelm Hünermann erzählt in seinem Roman „Kolping, der Gesellenvater“ von 1948/1949 (Pfeiler-Verlag, Rottenburg am Neckar) ebenfalls von der Adolph Kolpings sorge für Kranke. Hier ein Ausschnitt:

„Ja, was war mit Kolping los? Ach, er konnte seine Gedanken heute wirklich nicht zusammenhalten. Irgendjemand hatte ihm auf dem Schulweg erzählt, der Schustergeselle Hermann Kamps, der ehemalige Lehrling aus der Dürener Werkstatt, sei schwer an den Blattern erkrankt. Nun liege er ganz verlassen in einer armseligen Dachkammer, und die Hausleute trauten sich aus Furcht vor Ansteckung nicht, ihm die nötige Pflege zu geben, kaum, dass sie ihm das Essen durch die Tür schoben. War es ein Wunder, dass Kolping den ganzen gallischen Krieg vergaß über den armen Schuhmachergesellen?

Irgendwo in einem der engen Gässchen der Kölner Altstadt war die Dachkammer, in der Hermann Kamps auf dem Krankenbett lag. Sein Gesicht war von Wunden und Beulen entstellt; fiebrig glänzten die Augen, und der Atem ging in schweren Stößen. Die Wirtsleute hatten ihm das Mittagsbrot durch die Tür hineingeschoben, aber der Sieche war zu schwach, es sich zu holen. Er hätte ohnehin keinen Bissen über die Lippen gebracht. Nur nach einem Trunk Wasser lechzte er stöhnend vor Durst. ‚Verlassen! Von Gott und den Menschen verlassen‘, ächzte der Fiebernde, sich in wilder Qual auf seinem Lager herumwerfend.

Plötzlich horchte er auf. Da kamen doch Schritte herauf. Nein, das war nicht der Tritt der Wirtin. Da kam ein anderer. Aber wer sollte ihn hier in seinem Elend finden? Flohen nicht alle vor dem Blatternkranken wie vor einem von Gott Gezeichneten? Atemlos lauschte der Fiebernde. Jetzt machten die Schritte halt. Die Klinke bewegte sich. Die Tür ging auf. Jemand trat über die Schwelle, rief einen fröhlichen Gruß. Der Sieche fuhr aus den Kissen auf, starrte den Eintretenden an. Dann ging ein Schein der Freude über das zermarterte Gesicht. ‚Du, Adolph Kolping? Du kommst zu mir?‘ stammelte er. ‚Freilich komme ich, Hermann!‘ erwiderte der andere. ‚Ich erfuhr erst heute, dass du krank bist. Sonst wäre ich gewiss früher gekommen.‘ ‚Du weißt, welche Krankheit ich habe?‘ raunte der Geselle. ‚Ich habe die Blattern, und Du fürchtest Dich nicht?‘ Da lächelte Kolping: ‚Mach Dir keine Sorge, Freund! Wie sollte ich mich fürchten, einem alten Kameraden in der Not beizustehen?

Aber jetzt muss hier erst einmal gelüftet werden. Ich wette, hier ist, seit acht Tagen kein Fenster mehr aufgesperrt worden.‘ Weit öffnete er das kleine Fenster, durch das der warme, helle Sonnenschein in die Kammer fiel. Irgendwo läutete eine Glocke und warf ihren Klang in die Elendsstube. Vielleicht erscholl sie zu einem Begräbnis, dem Siechen aber läutete sie Hoffnung und eine große Freude ins Herz. Kolping richtete dem Kranken das zerwühlte Lager, wischte den Schweiß von seiner Stirne, gab ihm zu trinken, überredete ihn, ein paar Löffel Suppe zu nehmen.

Immer wieder schaute der Sieche seinen Helfer mit großen, leuchtenden. Augen an. So war er also doch nicht mehr verlassen. Wie eine Mutter umsorgte Kolping den einstigen Zunftgenossen. ‚Und Du hast keine Angst, dass Du Dich anstecken kannst?‘ fragte er endlich wieder. ‚Ich denke gar nicht daran‘, antwortete Kolping. ‚Ich weiß nur, dass Du krank bist und meine Hilfe brauchst.‘ Eine Weile lag nun der Kranke still, ruhiger ging sein Atem. Dann aber wandte er sich erneut dem einstigen Gefährten zu und sagte: ‚Dass du mich nicht vergessen hast, Adolph!‘ ‚Wie sollte ich dich 'wohl vergessen!‘·erwiderte der Gymnasiast. ‚Weißt du noch, wie wir damals zusammen in die Heide gewandert sind und du mich so oft in mein Elternhaus begleitet hast? Damals sind wir doch Freunde geworden fürs ganze Leben?‘ ‚Hab oft daran gedacht, Adolph!‘ entgegnete der Kranke mit glänzendem Blick. ‚Und ich weiß jetzt auch, warum du das getan hast. Aber seitdem ist manches anders geworden‘, fügte er traurig werdend hinzu. ‚Bin in den sechs Jahren weit herumgekommen, bis ich endlich hier in Köln Arbeit fand. Auch mich hat's in den Sumpf gezogen. Die Werkstätten, weißt du, die schmutzigen Herbergen, die Landstraße.‘ ‚Ja, ich weiß!‘ seufzte Kolping, den anderen mit großem Mitleid anblickend. ‚Hab' ja alles selbst kennengelernt. Und wenn ich nicht eine Mutter hätte, die im Himmel für mich betet, wäre es mir wohl nicht viel anders gegangen als dir.‘

Eine Weile war Stille in der armen Kammer. Dann begann der·Sieche von neuem: ‚Du bist nun doch Student, willst Priester werden, wie die Leute sagen! Und hast doch den Weg zu einem armen, blatternkranken Handwerksburschen gefunden?‘ ‚Ich würde ein schlechter Priester: werden, wenn ich den Weg zum Leid nicht mehr fände‘, erwiderte Kolping ernst. Dann stand er auf, trat ans Fenster und schaute über die Dächer der Kölner Elendsgassen. Wieviel Not mochte unter ihnen wohnen; Not die vergebens nach einem Helfer schrie? Wieder wandte er sich dem Kranken zu und sagte: ‚Der Lateinprofessor hat mich heute getadelt, weil ich bei Cäsars Brückenbau nicht bei der Sache war. Aber weißt du, ich musste an eine andere Brücke denken, die mir viel wichtiger erschien als die der Römer im gallischen Krieg. Ich dachte an die Brücke, die wieder von Mensch zu Mensch geschlagen werden muss, von den Gesunden zu den Kranken, von den Reichen zu den Armen, von den Gebildeten zu den Einfachen: Ich dachte an die Brücke, die den Priester mitten ins Volk hineinbringen soll.‘ - Wieder schwieg Kolping. Dann rügte er leise, fast unhörbar hinzu: ‚So Gott will, werde ich einmal helfen, diese Brücke bauen.‘“

Tu in allen Teilen Deine Pflicht

An den oben erwähnten Joseph Brinkmann schrieb Adolph Kolping 1842:

„Du hast mir über Deine leidenden Gesundheitsumstände nicht eben Erfreuliches geschrieben, indes hoffe ich, dass es wohl nicht von bösen Nachwehen wird begleitet gewesen sein. Husten und Fieber hat man in München oft so schnell, dass man kaum weiß, wie man dazu gekommen; es vergeht auch schon wieder und man denkt nicht weiter dran, hat mir's doch vor einigen Wochen ähnlich wie Dir gegangen; indes bin ich in einigen Tagen wieder ganz hergestellt gewesen. Hoffe, Dir wird's ebenso ergangen haben. Halte nur Diät, hüte Dich vor zu großer Gemütserregung und tu dann übrigens in allen Teilen Deine Pflicht, so wird Dir so leicht nichts zustoßen, und stößt Dir dann was zu, so kannst Du mit Vertrauen zum Himmel emporblicken.

Ohne Leiden und Beschwerden geht's aber nun mal im Leben nicht hin; ich möchte für meinen Teil auch nicht mal wünschen, dass ich ganz davon verschont bliebe, da nichts so geeignet ist, des Menschen Herz höheren Einflüssen offenzuhalten, ihn auf den über und für ihn waltenden Gott hinzuweisen als gerade das Leiden. Wir brauchen zwar nicht gerade das Leiden zu suchen, aber was wir bekommen, das sollen und müssen wir uns christlich zunutze machen.“

(Kolping-Schriften Bd. 2, Brief 27 an Joseph Brinkmann)

Nächstenliebe ist kein Selbstmordkommando

Wilhelm Hünermann erzählt an einer anderen Stelle in seinem Kolping-Roman, wie Adolph Kolping einem Gesellen während der Cholera-Epidemie wegen der Ansteckungsgefahr den Handschlag zum Gruß verwehrt. Bei allem Engagement aus christlicher Nächstenliebe heraus, darf dennoch das eigene Leben und das Leben von anderen nicht leichtsinnig in Gefahr gebracht werden.

Bild: Illustration von Prof. Joh. Wolfart aus Wilhelm Hünermann, Kolping der Gesellenvater, Rottenburg 1948/1949, S. 130.
20.03.2020
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