25 Jahre Deutsche Einheit

Kolpingsfamilie zu Gast in Meiningen

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22.10.2014

Ursula Kroha (links) übergibt Frau Michel (rechts) die Kolping-Kerze


Schloss Elisabethenburg


Autobahnkirche A 71

Gibt es in der Neu-Ulmer Partnerstadt Meiningen eine Kolpingsfamilie? Was wissen wir nach 25 Jahren Deutscher Einheit über die Katholiken in Meiningen, über ihr Leben vor und nach der Wende? Diese Fragen stellte sich die Kolpingsfamilie Pfuhl Ende des vergangenen Jahres und begann einen Besuch in Meiningen in die Wege zu leiten. Erste Email-Kontakte zum katholischen Pfarrer Martin Montag stießen auf freundliches Interesse. Zum relativ großen Territorium des katholischen Gemeindebereichs Meiningen zählt die Gemeinde Wolfmannshausen, ein Stadtteil von Grabfeld. Hier gibt es die einzige Kolpingsfamilie in dieser Gegend mit acht Mitgliedern. In ersten Telefongesprächen mit der Vorsitzenden, Frau Barbara Friedrich, konnte ein Treffen im Oktober 2014 vereinbart werden.

Am vergangenen Wochenende nun wurden die 44 Kolpingmitglieder, die sich mit dem Bus aus Pfuhl auf den Weg gemacht hatten, in der St. Ägidius-Kirche in Wolfmannshausen von Frau Friedrich herzlich begrüßt. Die ca. 450 Einwohner Wolfmannshausens sind überwiegend katholischen Glaubens. Grund ist die Landesherrschaft des katholischen Fürstbistums Würzburg seit dem Mittelalter; sogar zu Zeiten der deutschen Trennung gehörte Wolfmannshausen dem Bistum Würzburg an. Zwischenzeitlich wurde Meiningen mit Wolfmannshausen dem Bistum Erfurt zugeschlagen. Am 22. November wird der bisherige Mainzer Weihbischof Dr. Ulrich Neymeyr hier in sein Amt eingeführt.

Das Leben der Menschen, die sich zum christlichen Glauben bekannten, war zu Zeiten des DDR-Regimes durchaus problematisch. Kinder (oft nur zwei in einer Klasse), die sich zum Glauben bekannten, durften im Unterricht aufstehen und nach Aufforderung durch den Lehrer belacht und verspottet werden. Andererseits führte die kleine Zahl der Katholiken zu einem großen Zusammenhalt innerhalb dieser Gruppe und es gelang z. B. auch vor der Wende Fronleichnamsprozessionen durch Straßen und über die Fluren durchzuführen. Beeindruckt hat die Schilderung einer Wolframshauser Katholikin, die im Gespräch berichtete, dass sich ein Mann dem katholischen Glauben zuwandte, weil er den christlichen Geist in einer Familie schätzen gelernt hatte.

Noch heute gibt es eine katholische Kindertagesstätte in Wolfmannshausen. Durch die Eingliederung der Gemeinde in die Pfarreiengemeinschaft Meiningen gibt es neue Möglichkeiten und Veränderungen im Glaubensleben der Gemeinde, so der dortige Vorsitzende des Pfarrgemeinderats. Es ist schwierig, die Jugendlichen neben den vielen anderen Freizeitmöglichkeiten für die Angebote der Kirche zu begeistern. Die über Jahrhunderte gelebten christlichen Traditionen scheinen in Vergessenheit zu geraten.

Nach gemeinsam gesungenen „Großer Gott, wir loben dich“ und einem Gang über den Friedhof beim Gotteshaus mit den in Sandstein gehauenen Kreuzwegstationen aus dem 19. Jahrhundert verabschiedet sich die Kolpinggruppe aus Pfuhl aus Wolfmannshausen. Mit der Überreichung der Kolpingkerze „Eine Idee zieht Kreise“ an Frau Barbara Friedrich verbinden die Pfuhler die Einladung an einen Gegenbesuch ihrer Heilig-Kreuz-Gemeinde.

In Untermaßfeld, wo es nach der Auskunft der einheimischen Bevölkerung und nun auch nach dem Urteil der Pfuhler die besten Thüringer Rostbratwürste gibt, wird der Bus der Pfuhler Gäste von einer Gruppe Jugendlicher mit Blasmusik und Gesang begrüßt, die am Kirchweihwochenende „Kermes“ nach altem Brauch mit einem Leiterwagen von Haus zu Haus ziehen und die Bürger erfreuen.

In Meiningen am Schloss Elisabethenburg traf die Kolpingsfamilie auf den örtlichen Stadtführer. Meiningen, zwischen Thüringer Wald und Rhön im Werratal, ist reich an historischen Bauten, Parks, Schlössern und restaurierten Fachwerkhäusern. Bereits vor der Wende wurde der Wert der Fachwerkhäuser geschätzt und von den örtlichen Handwerkern gepflegt. Herzog Georg II., der Theaterherzog und Kunstmäzen, dessen 100. Todestag die Stadt Meiningen gedenkt, und große Namen wie Wagner, Brahms, Liszt, Goethe Schiller, Jean Paul sprechen von der großartigen Musik- und Theatergeschichte Meiningens.

Ein Beispiel für eine herausragende Inszenierung und großartige schauspielerische Leistung durften die Pfuhler bei Shakespears „König Lear“ im Meiningen Theater erleben und der Tagesausklang im „Verlies“ des Alten Knasthauses hatte einen ganz besonderen Reiz.

Den Sonntagsgottesdienst feierten die Pfuhler Kolpingschwestern und –brüder mit Pfarrer i. R. Wolfgang Teichert in der katholischen Gemeinde „St. Marien“. Das heutige Gotteshaus „St. Marien“ konnte in den 70-er Jahren mit finanzieller Unterstützung aus der Würzburger Diözese neu gebaut werden und die zu klein gewordene abgerissene alte Kirche ersetzen.

Die moderne Gestaltung des neuen Gotteshauses mit seinen bunten Fenstern zur Schöpfung und zum himmlischen Jerusalem bildete einen sehr schönen Rahmen für den anschließenden Austausch mit Herrn Herr Franz Neumann und Frau Christiane Michel von der Meininger Gemeinde.

Friedensgebete waren in Meiningen wie in Leipzig und Dresden Auslöser der friedlichen Revolution vor über 25 Jahren. Die Augenzeugenberichte Franz Neumanns über Meininger Demonstrationszüge unter den Augen der Staatspolizei, Überwachungsmethoden der Staatssicherheit, Erklärungen zur Jugendweihe und zur Gestaltung von Festen zur Zeit des Sozialismus ließen manchen mit Ergriffenheit und Staunen die Deutsche Einheit neu erfassen.

Auch hier blieb als kleiner Dank und zur Erinnerung an den Besuch die Pfuhler Kolpingkerze zurück verbunden mit der Einladung, den Kontakt mit einem Gegenbesuch in Pfuhl aufrecht zu erhalten.

Gestärkt mit perfekten Thüringer Klößen, den „Hütes“, traten die Pfuhler, in der Gewissheit neue Freunde gefunden zu haben, die Rückreise an. Jedoch nicht ohne am Rastplatz „Thüringer Tor“ einen Zwischenstopp einzulegen. Aus Dankbarkeit für die Überwindung der innerdeutschen Teilung baut hier an der Thüringer Waldautobahn eine ökumenische Initiative „Autobahnkirche A 71 Bibra e.V.“ einen christlichen Denk- und Dankort. Mit Hilfe zahlreicher Spenden und ehrenamtlicher Arbeiten ist der Rohbau zwischenzeitlich fertig erstellt und man kann erkennen, dass das weithin sichtbare Gebäude auch eine architektonische Besonderheit ist.

Hier lassen die Pfuhler die Reise nach Meiningen mit dem guten Gefühl ausklingen, dass die Deutsche Einheit ein Gewinn ist, dass dankbares Erinnern an die friedliche Wiedervereinigung wichtig ist und bleibt und dass diese Begegnungen mit den Meininger Katholiken der Grundstock für eine Belebung der Städtepartnerschaft mit Meiningen ist.

Ursula Kroha
22.10.2014
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