Asylsuchenden eine Perspektive geben

Orientierungslos, entwurzelt und deprimiert

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17.01.2014

Viel Freude bei den jungen Männern über die Cricketausrüstung


Gemeinsamer Ausflug auf dem Forggensee auf Einladung durch das Landratsamt


Quelle: http://www.stmas.bayern.de//migration/asyl/index.php


Quelle: http://www.stmas.bayern.de//migration/asyl/index.php

Nicht nur das Flüchtlingsdrama auf Lampedusa im Oktober des vergangenen Jahres und der Besuch von Papst Franziskus auf der italienischen Insel haben in den vergangenen Monaten den öffentlichen Fokus auf die Situation der Asylsuchenden Menschen in unserem Land verstärkt. Bis zum August des vergangenen Jahres sind über 62.000 Menschen in Deutschland angekommen, um hier als Flüchtlinge angerkennt zu werden. Das sind dreimal soviel wie im gesamten Jahr 2007. 15 Prozent der Asylbewerber kommen nach Bayern. Untergebracht werden sie in Gemeinschaftsunterkünften oder – da diese bei weitem nicht ausreichen – in sogenannten dezentralen Unterkünften der Landkreise. Bis zur Anerkennung als Flüchtling ist ein langer und schwieriger Weg. Die Bewohner der Unterkünfte sind häufig auf sich selbst gestellt und weit von einer Integration in unserer Gesellschaft entfernt. Die Vorsitzende des Kolpingwerk Bezirksverband Ostallgäu Paulina Hesse-Hoffmann aus der Kolpingsfamilie Buchloe engagiert sich seit einem Jahr für Asylsuchende in ihrer Stadt. Wir haben Ihr ein paar Fragen zu ihrem ehrenamtlichen Engagement gestellt.

Paulina, Du engagierst Dich für Asylsuchende in Buchloe. Wie kam es dazu?

Vor einem Jahr, Anfang Januar 2013, gab es ein Treffen einer ökumenischen Gesprächsgruppe, bei der ich regelmäßig teilnahm, mit dem Thema “Asylbewerber”. Aus der Zeitung hatten wir erfahren, dass ab Ende Januar 2013 in Buchloe in einem Wohncontainer am Stadtrand 30 junge Männer untergebracht werden sollten. Wir stellten uns die Frage, wie die Integration dieser Männer funktionieren sollte, wenn sie weitab vom Stadtzentrum und isoliert untergebracht waren.

An diesem Abend gründete sich der Freundeskreis Asyl, bei dem seitdem ich aktiv bin.

Was motiviert Dich?

Für mich steht der Mensch im Vordergrund. In erster Linie geht es darum zu helfen, wo ich helfen kann. Ich sehe die Not dieser Menschen. Sie haben einen langen Fluchtweg hinter sich, stehen zunächst alleine da, verstehen die Sprache und Kultur nicht, kennen sich nicht aus, alles ist neu und fremd. Sie sitzen in einem Container mit anderen Fremden und haben nichts zu tun. Die erste Zeit dürfen sie nicht arbeiten und wenn sie arbeiten dürfen, finden sie keine Arbeit. Die ganze Zeit herrscht Ungewißheit darüber, ob sie hierbleiben können oder nicht. Jeden Tag warten sie auf Post vom Bundesamt. Ansonsten ist ein Tag wie der andere. Sie teilen sich zu zweit ein Zimmer und manchmal gibt es Streit. Nachts können sie nicht schlafen und tagsüber wissen sie nicht was, sie machen sollen.

Ich versuche mich in ihre Lage zu versetzen und erkenne, wie furchtbar hoffnungslos und deprimierend die Situation sein muss und möchte den Betroffenen zur Seite stehen, sie ein Stück auf ihrem Weg unterstützend begleiten. Vielleicht werden sie einmal zurückblicken auf ihren langen und oft schwierigen Lebensweg und ich hoffe, dass sie sich  gerne an die Zeit in Buchloe erinnern, weil es da Menschen gab, die ihnen geholfen haben. Wenn wir Helfer ihnen ein Stück Lebensfreude geben können, haben wir viel erreicht.

Sicher spielt es auch eine Rolle, dass ich selber einen Migrationshintergrund habe und ich mich ein wenig in ihre Situation hineinversetzen kann.

Was gibt es für Dich zu tun?

Am Anfang war es meine Aufgabe, Informationen zum Thema “Asyl” einzuholen. Wir wußten, dass es bereits Arbeitskreise in Kaufering und Kaufbeuren gab. Diese waren meine ersten Anlaufstellen. Dort habe ich angerufen und mich beraten lassen. In Kaufbeuren besteht der Arbeitskreis Asyl bereits seit über 20 Jahren. Herr Kamleiter vom AK Asyl Kaufbeuren gab uns wichtige Informationen zum Thema Asyl und auch weitere Kontaktdaten, z.B. zur Caritas. Desweiteren besorgte ich viele Infos, unter anderem über das Asylverfahrens- und Aufenthaltsgesetz, und habe mich in die Thematik eingearbeitet, um die Asylsuchenden beraten zu können.

Da der Wohncontainer mit 30 Bewohnern als eine “dezentrale Unterkunft” definiert wird, erhielten die Asylsuchenden bis Oktober 2013 keine offizielle Beratung. Erst seit November 2013 wird der Wohncontainer von der Caritas Asyllberatung Mindelheim mitbetreut. Für diese Beratungsstelle haben wir uns bei den zuständigen Stellen ebenfalls immer wieder eingesetzt und auch Politiker um Unterstützung gebeten. So hat auch Kolpingmitglied und Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke uns in unserem Anliegen unterstützt, wofür ich mich recht herzlich bedanken möchte.

Die Anerkennung als Flüchtling erfolgt nicht immer über das Bundesamt, manchmal muss ein Asylbewerber sich die Anerkennung mit Hilfe eines Rechtsanwalts beim  Verwaltungsgericht erstreiten. Wenn erwünscht, stelle ich den Konakt zu Rechtsanwälten her und begleite die Asylsuchenden auch zum Termin beim Verwaltungsgericht in Augsburg. Ich helfe ihnen auch, sich für das Gespräch mit dem Rechtsanwalt vorzubereiten. Da nicht alle Englisch sprechen, ist dies nicht immer leicht. Auch wenn andere Asylsuchende als Dolmetscher aushelfen, ist die Kommunikation manchmal schwierig.

Außerdem ist es meine Aufgabe, die Briefe, die die Asylsuchenden von den Behörden (Bundesamt, Ausländerbehörde, Sozialamt, Gesundheitsamt, etc.) erhalten, von Deutsch ins Englische zu übersetzen. In der Regel reicht das Übersetzen der Briefe nicht aus, meistens muss ich den Inhalt des Briefes erklären.

Wichtig ist eine Vernetzung mit anderen Aktiven, die in der Asyl- und Flüchtlingsberatung tätig sind. So habe ich z.B. vom Jugendmigrationsdienst erfahren, dass es Projektklassen für berufsschulpflichtige Asylsuchende (18-21 Jahre) gibt. Drei Pakistaner habe ich an die Staatliche Berufsschule Mindelheim vermittelt, die so eine Projektklasse anbietet.

Wenn notwendig stelle ich auch den Kontakt zum Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren her. Im Moment machen dort zwei Asylsuchende eine Therapie.

Als die ersten Asylsuchenden ihre Anerkennung als Flüchtlinge erhalten haben, mußten sie sich beim Jobcenter in Marktoberdorf und bei der AOK melden und ein Bankkonto eröffnen. Ich habe ihnen geholfen die Formulare auszufüllen und habe sie die ersten Male begleitet. Mittlerweile kennen alle den Ablauf und die Wege und sie können dies selbständig erledigen. Vom Jobcenter haben sie einen Teilnahmeberechtigungsschein für einen Integrationskurs erhalten. 5 Syrer habe ich an das Kolpingbildungswerk in Kaufbeuren vermittelt, wo unter anderem ein Deutschkurs für langsame Lerner angeboten wird. Frau Schraml beim Kolpingbildungswerk hat mir hier sehr geholfen.

Ansonsten sehe ich meine Aufgabe darin, die sozialen Kontakte zu den Asylsuchenden und Flüchtlingen zu pflegen und immer ein offenes Ohr für ihre Probleme und Anliegen zu haben oder einfach nur Zeit zu haben, mit ihnen einen Kaffee oder Tee zu trinken und sich zu unterhalten. Wie ich bereits sagte, geht es auch darum den Flüchtlingen ein Stück Lebensfreude zu schenken und nicht immer nur Probleme zu wälzen. Wir bieten in Buchloe einen Treff an, den “Tea-Point”, den andere Helfer aus dem Freundeskreis Asyl organisieren. Jeden Dienstag von 17.45 bis 19.45 Uhr sind alle Interessierten ins evangelische Gemeindehaus eingeladen, Asylsuchende sowie Buchloer Bürger. Ziel ist es, in einer lockeren Atmosphäre bei Kaffee und Tee ins Gespräch zu kommen. Jeder kann etwas von dem anderen lernen.

Wie erlebst Du die Menschen, die zu uns nach Bayern kommen?

Die Asylsuchenden, die in Buchloe untergebracht sind, kommen aus Syrien, Pakistan und Afghanistan.

Mir ist aufgefallen, dass anfangs viele von tiefem Mißtrauen geprägt sind. Es braucht Zeit und Geduld, um eine Vetrauensbasis aufzubauen. Einige bleiben distanziert und zurückhaltend. Andere öffnen sich.

Einige sind orientierungslos, entwurzelt und deprimiert. Sie vermissen ihre Familien und Heimat.

Dennoch begegnen mir alle mit Respekt und selbst die ganz Zurückhaltenden kommen und bitten um Hilfe, wenn sie nicht weiterwissen. Von vielen erhalte ich immer wieder kleine Geschenke oder werde zum Essen eingeladen, wenn sie am Kochen sind.

Jedes Mal, wenn ich im Wohncontainer bin, bietet mir jemand einen Tee oder Kaffee an. Die Freundlichkeit und der Respekt, mit dem uns die Flüchtlinge begegnen, ist beeindruckend.

Wie nimmt Dein Umfeld Dein Engagement für Flüchtlinge auf?

Bisher habe ich nur positives Feedback erhalten. Meine Familie, d.h. mein Mann, meine zwei Töchter und meine Mutter, die bei bei uns wohnt, unterstützen mich voll und ganz bei meinem Engagement. Meine Mutter kommt selber aus Chile und weiß, was es heißt sich in einem fremden Land einzuleben.

Als wir Anfang Oktober Besuch von zwei Geistlichen aus Schottland bekamen, Rev. Andrew Clark und Rev. James Walls, haben sie eine Cricketausrüstung mitgebracht. Rev. Andrew Clark ist ein guter Freund von uns und als er hörte, dass ich auch pakistanische Flüchtlinge betreue, hat er mit Hilfe des Glenalmond Colleges in Perth eine Cricketausrüstung organisiert und mitgebracht.

Wo siehst Du Bedarf, dass noch mehr geholfen wird?

Damit Integration Erfolg hat, braucht es den Zugang zur Sprache. Das ist meiner Meinung nach der Schlüssel.

Zur Zeit werden die Kosten für einen Integrationskurs nur für anerkannte Flüchtlinge übernommen. Wenn das Asylverfahren mit der Anerkennung als Flüchtling beendet ist, erhalten die Flüchtlinge den Zugang zum Deutschkurs. Allerdings können Asylverfahren mehrere Jahre dauern. In dieser Zeit haben die Asylsuchenden keine Möglichkeit einen Deutschkurs zu besuchen, außer einen ehrenamtlich geführten Deutschunterricht. Aber den gibt es nicht überall.

Mittlerweile dürfen Asylsuchende nach 9 Monaten mit Genehmigung der Ausländerbehörde arbeiten. Die Arbeitserlaubnis erteilt die ZAV (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit). Leider erhalten sie oftmals eine Absage, da es immer bevorzugt Berechtigte für die Arbeit gibt.

Keinen Zugang zu Deutschkursen und das untätige, monatelange, zermürbende Rumsitzen im Wohncontainer ist für mich das größte Übel. Hier sind 30 junge Männer, die arbeiten wollen und können, aber nichts tun dürfen. Die Zeit könnte mit Hilfe eines Deutschkurses zumindest gut genutzt werden. Aber der wird nicht bezahlt.

Die Gefahr, dass sie in eine Subkultur reinrutschen ist da. So kann Integration nicht funktionieren.

17.01.2014
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„Der Flüchtling unterscheidet sich von einem Asylbewerber oder einer Asylbewerberin dadurch, dass sein Status als Flüchtling von einer nationalen Regierung anerkannt wurde."

"Ein Asylbewerber ist eine Person, der internationalen Schutz sucht, ihn aber noch nicht bekommen hat. Oft handelt es sich um Personen, die noch auf den Entscheid einer Regierung warten, ob ihnen der Flüchtlingsstatus zugeteilt wird oder nicht.“

Quelle: http://www.amnesty.ch/de/themen/menschenrechte/fluechtlingsrecht