Pfarreiengemeinschaft und Kolpingsfamilie unterwegs

Unterwegs zum Weltkulturerbe in Südpolen

zurück

04.10.2016
















Schlesien und Südpolen sind nicht unbedingt Reiseziele, die man für seinen Jahresurlaub wählt. Da sollte es doch eher ans Meer oder in die Berge gehen. Aber wenn die Lechhauser Kolpingsfamilie in Zusammenarbeit mit der Pfarreiengemeinschaft eine Gruppenreise in eine Region mit wechselvoller Geschichte anbietet, sollte man mitfahren.

Der erste Mittagsstopp in Görlitz bot Sehenswertes: Die östlichste Stadt Deutschlands am Westufer der Lausitzer Neiße und der polonisierte Ostteil namens Zgorzelec bilden seit dem EU-Beitritt Polens 2004 eine so genannte Europastadt. Görlitz ist an sich schon eine Reise wert, denn mit über 4000 Einzeldenkmälern findet sich dort die größte Ansammlung von Denkmälern aller deutschen Städte.

Am Ende des Anreisetags erreichte die Reisegruppe Breslau, die europäische Kulturhauptstadt 2016. Ein Stadtrundgang am Folgetag führte zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie Rathaus, Altstadt und Marktplatz. Aber auch die Universität mit der Aula Leopoldina, die 2006 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommene Jahrhunderthalle und die Dominsel waren Ziel der Grupppe. Ein Abendessen im legendären Rathausrestaurant „Schweidnitzer Keller“ rundete den Besuch der einstmals drittgrößten Stadt des Deutschen Reichs ab.

Nächste Ziele waren Tschenstochau und spätabends schließlich Krakau. Die Führung durch das Paulinerkloster in Jasna Gora oberhalb Tschenstochaus gab Einblick in die tiefe Verwurzelung des Katholizismus in Polen. Der Wallfahrtsort mit der Gnadenikone der „Schwarzen Madonna“ ist täglich Ziel vieler Menschen. Hier kann man authentisch erleben, was Volksfrömmigkeit bedeutet. Im Gegensatz zu anderen eher atheistischen Staaten des ehemaligen Ostblocks sind die Polen immer religiös und dem Katholizismus treu geblieben. Aus dieser Quelle speiste sich auch die Bewegung der Gewerkschaft Solidarnosc, welche später sehr stark vom heiligen Papst Johannes Paul II. gefördert wurde. Überhaupt begegnet man dem weltbekannten Heiligen unserer Tage auf Schritt und Tritt. Es ist sicher kein Zufall, dass auch seine Nachfolger Benedikt XVI. und Franziskus im polnischen Nationalheiligtum zur Mutter Gottes gebetet haben.

Nach der Heiligen Messe in der Dorfkirche von Niegowa, der Stadtpfarrer Markus Bader vorstand, und einem Spaziergang durch eine schöne Juralandschaft gab es Abendessen im Restaurant von Schloss Bobolice, nachts war Ankunft in Krakau.

Auf einem hervorragend geführten Stadtrundgang lernten die Lechhauser Krakau kennen. Man ist sofort fasziniert von der zweitgrößten Stadt Polens, die eine unwahrscheinliche Anziehungskraft hat. Einerseits eine junge Stadt mit über 150.000 Studenten an zahlreichen Universitäten - andererseits ein geschichtsträchtiger Ort: Einst Hauptstadt des Königreichs Polen und Sitz der nach Prag zweitältesten Universität Mitteleuropas ist Krakau heute ein überragendes Kultur-, Industrie- und Wissenschaftszentrum. Man bezeichnet die Stadt auch jetzt noch als „heimliche Hauptstadt Polens“, da sie über Jahrhunderte als „Zentrum des polnischen Staatswesens“ gilt. Die ehemalige Residenz auf dem Wawelhügel mit Schloss und Kathedrale, wo die meisten polnischen Könige begraben sind, ist baulicher Ausdruck der Sonderstellung dieser Stadt. Und wieder begegneten die Gruppe dem hl. Johannes Paul II. Von 1958 bis 1964 war er Weih- und ab 1964 Erzbischof der Diözese Krakau. Und in ebendieser Kathedrale vor dem Silbersarkophag des hl. Stanislaus steht der Bischofsstuhl, auf dem Karol Woityla bis zu seiner Papstwahl 1978 saß. Wawel und Krakauer Altstadt sind UNESCO-Weltkulturerbe. Herausragend sind die Marienkirche mit dem berühmten Altar von Veit Stoß und der riesige Hauptmarkt mit den Tuchhallen und dem alten Rathausturm. Ebenso sehenswert sind die Synagogen im Jüdischen Stadtviertel Kazimierz. Zu sehen ist dort ein historischer Straßenzug, in dem Steven Spielberg Teile seines Films „Schindlers Liste“ drehte. Hier spannt sich ein Bogen nach Augsburg: Spielberg wurde vom 2011 verstorbenen Augsburger Ehrenbürger Mietek Pemper, der die berühmte Liste für Oskar Schindler geschrieben hatte, bei der Filmproduktion historisch beraten.

Unweit der Spur Europäischer Hochkultur gingen die Reisenden aus Augsburg aber auch einer Spur des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte nach: Sie besuchten das KZ Auschwitz-Birkenau. Auch diese Gedenk- und Forschungsstätte ist heute als staatliches Museum UNESCO-Weltkulturerbe und wird von rund 1,5 Millionen Menschen jährlich besucht. Auschwitz ist gleichsam das Synonym für den Holocaust. Die Gruppe begab sich an die Orte des Grauens und nahm sich für diesen übelsten Abschnitt deutscher Geschichte einen ganzen Tag Zeit. Es war eine wichtige Zeit, denn alle hatten das Gefühl, das Papst Benedikt XVI. bei seinem Polenbesuch vor einigen Jahren sinngemäß so ausdrückte: Man kann als Deutscher nicht in diese Region gehen und Auschwitz nicht besuchen!

Und dann begegnete die Gruppe ihm wieder: Im Salzbergwerk Wieliczka, dem ältesten der Welt und natürlich auch UNESCO-Weltkulturerbe, befindet sich in ca. 100 Metern Tiefe eine in den Salzstock modellierte große Kapelle. Und auch hier steht Johannes Paul II. als überlebensgroße Statue und segnet seine Gläubigen. Der Abschied von Krakau fiel schwer, denn diese Stadt wächst einem schnell ans Herz.

Kutna Hora, das böhmische Kuttenberg, etwa 70 Kilometer östlich von Prag, war die letzte Station der Reise. Die einstmals zweitgrößte böhmische Stadt war durch den Silberbergbau sehr wohlhabend, wovon heute noch prächtige Bauten zeugen. Es versteht sich fast von selbst, dass auch dieses Altstadtensemble samt der spätgotischen Kathedrale der hl. Barbara zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Schaurig-skurril auch das dortige Beinhaus, einer der größten Touristenmagneten der Region. Eine Lockerungsübung während des langen Rückreisetags war noch eine kleine Wanderung zur südlich von Prag gelegenen Burg Karlstein mit Führung durch die Burganlage. In einer ökumenischen Autobahnkirche, der Dreifaltigkeitskapelle von Waidhaus, feierte Pfarrer Markus Bader mit der Gruppe nochmals eine Heilige Messe und dankte Gott für die glückliche Reise und die wohlbehalten heimgekehrten Mitfahrer.

Größter Dank und höchste Anerkennung gelten Inge und Bernhard Bitzl für die perfekte Planung, Vorbereitung und Leitung der einwöchigen Reise. Dieses Projekt war ganz offenkundig nur mit großem Zeitaufwand, viel Liebe zum Detail und jeder Menge Herzblut zu realisieren. Vergelt's Gott! Man darf gespannt sein, wohin der Weg nächstes Jahr führen wird.

Text: Johann Mayer; Bilder: Herbert und Ulli Scherf, Anton Konrad
04.10.2016
zurück