150. Todestag von Adolph Kolping

Wer wahrhaft liebt, der gibt sich ganz

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04.12.2015

In einer Fastenpredigt 1846 in Elberfeld hat Adolph Kolping dieses Wort gesagt: „Wer aber wahrhaft liebt, der gibt nicht bloß dies oder das, der gibt sich ganz. Wahre Liebe kennt keinen, gar keinen Rückhalt“ (Kolping Schriften, Bd. 9, S. 32). Ähnliches sagt Papst Johannes Paul II. 1980 in seiner Barmherzigkeits-Enzyklika „Dives in misericorida“: „Wer liebt, den drängt es ja, sich selbst zum Geschenk zu machen.“ Kann ein moderner Mensch des 21. Jahrhunderts dieser Aussage zustimmen? Lebt er nicht immer mit einem „Rückhalt“, einem „Vorbehalt“?

Ein paar Beispiele aus dem Leben des seligen Adolph Kolping mögen zeigen, dass er sich selbst ganz und gar zum Geschenk gemacht hat. Als Schuhmachergeselle schlägt er das „gemachte Nest“ aus und lehnt das Angebot seines Meisters ab, nicht nur dessen Tochter zu heiraten, sondern auch den Betrieb zu übernehmen. Seinen Traum nach der Priesterweihe von einer Karriere in der Wissenschaft gibt Kolping, nachdem er den Gesellenverein in Elberfeld kennen gelernt hat, auf und widmet der Ausbreitung dieser Idee seine ganze Kraft und sein ganzes Leben. Ohne Rücksicht auf seine eigene Gesundheit kümmert er sich während der Cholera-Epidemie in Köln um die Erkrankten. Auch das, was Kolping durch seine Tätigkeit als Journalist, Redakteur und Schriftsteller erwirtschaftete, hat er wieder ganz eingesetzt für den Bau von Kolpinghäusern oder die Absicherung seines Verbandes für die Zukunft.

Aber wem hat Kolping sich da zum Geschenk gemacht? Vielleicht würde Adolph Kolping sagen, dass diese Frage falsch ist. Ein Indiz sei dieses Zitat aus der gleichen oben genannten Predigt: „Es gibt keinen Menschen ohne Liebe, und es kann keinen geben; denn sie gehört, wie gesagt, zu seinem Wesen. Wie aber der Verstand die Wahrheit nicht aus sich hat, ich meine die göttliche, so hat auch das Herz nicht die rechte Liebe aus sich, sondern muss sie empfangen, und Gott hat sie dem Herzen ursprünglich wirklich gegeben.“ Eigentlich schon faszinierend diese Aussage, dass es keinen Menschen ohne Liebe gibt! In der Überzeugung Kolpings, dass Gott die Liebe in die Menschen gelegt hat, steckt gleichzeitig seine Motivation auf diese Liebe, auf die ihm in Jesus geschenkte und immer wieder neu zugewendete Barmherzigkeit, mit der gleichen Liebe und Barmherzigkeit zu antworten.

„Die Liebe beweist sich als ein geheimnisvolles, wohltätiges Leben und Wirken, weil es eben Leben und Tat ist, mit Worten nicht viel zu tun hat“, sagt Kolping und zeigt, dass er von Sonntagsreden nicht viel hält, sondern dass er sich zupackende, anpackende, „tüchtige“ Christen wünscht. Die Kolpingtöchter und –söhne in seinem Werk versuchen das zu leben. Wie viele praktische Helfer gibt es in den Kolpingsfamilien! Sie packen an, wenn es in der Pfarrei etwas zu tun gibt. Kolpingmitglieder sind dabei, wenn Flüchtlinge Unterstützung brauchen. Sie helfen zusammen, um anderen zu helfen. Auch die Kolpingmitarbeiterinnen und –mitarbeiter in den Bildungseinrichtungen, Wohnheimen oder Familienferienstätten handeln aus diesem Geist des Gründers. Zu tüchtigen Vätern, Bürgern und Handwerkern, die aus dem Glauben heraus an ihrem Platz das Beste geben, wollte Kolping seine Gesellen erziehen. Er wollte damals schon das „praktische Christentum“, er wollte keinen Debattierclub oder fromme Bruderschaft gründen.

Und dann entdeckt man doch den Rückhalt und Vorbehalt bei Kolping: „Lassen wir Gott vertrauend und mit frohem Mute darum zusehen, was wohl zu tun sein mag. Alles Übrige wird dann Gott in seiner Barmherzigkeit fügen, wie es gut ist.“ Selbst geben, was man kann und was man auch für das Beste hält, und dennoch wissen, dass es nicht alles ist und dass ein anderer, Gott, unser Ungenügen ergänzt, damit etwas vollständiges, vollkommenes daraus wird.

Mit seinem 150. Todestag ist Adolph Kolping ein Vorbote für das heilige Jahr, das Papst Franziskus am Geburtstag Kolpings, dem 8. Dezember, in Rom eröffnen wird. Mit dem „Jubiläum der Barmherzigkeit“ lädt uns Papst Franziskus ein, über das Thema Barmherzigkeit nachzudenken. Aber sowohl für Adolph Kolping als auch für Papst Franziskus wäre das zu wenig. Es geht darum, sich bewusst zu machen – und dass nicht nur dem Verstande nach –, dass wir selbst Barmherzigkeit empfangen haben und immer wieder neu von Gott angeboten bekommen. Und es geht darum, dieses Geschenk weiterzugeben. Folgen wir dieser Einladung! Machen wir uns auf den Weg, um das zu erleben, was Papst Franziskus in der Ankündigungsbulle „Misericordiae vultus“ so beschreibt: „Wenn wir die Heilige Pforte durchschreiten, lassen wir uns umarmen von der Barmherzigkeit Gottes und verpflichten uns, barmherzig zu unseren Mitmenschen zu sein, so wie der Vater es zu uns ist.“

Johann Michael Geisenfelder
04.12.2015
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