Zum 500. Geburtstag eines Augsburger Dompredigers

Zimmer im Dom

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01.05.2021

Ausschnitt Deckenfresko von Scheffler Studienkirche Dilllingen


Ausschnitt Gedenktafel Einweihung Priesterseminar Augsburg von Nageler


Canisius Altar im Augsburger Dom von Busch


Ausschnitt Kanzel Dom Augsburg von Killer


Seitenaltar St. Canisius Hochfeld von Mastaller

Über dem Südportal des Augsburger Doms sind Fenster zu sehen, die auf Räume dahinter hindeuten. In der mündlichen Tradition soll Petrus Canisius (1521-1597) hoch oben über der gotischen Eingangstür zur Kathedrale jungen Menschen mit seinem Katechismus den Glauben nahegebracht haben. Warum erinnert man sich 500 Jahre nach der Geburt des „Zweiten Apostel Deutschlands“, wie der erste deutsche Jesuit auch genannt wird, heute noch an ihn in Augsburg und schreibt ihm ein eigenes Zimmer im Dom zu?

Der Suchende

Mit 15 Jahren zieht Canisius von seiner Heimatstadt Nijmwegen zum Studium nach Köln. Den Glauben, in den er in seinem Elternhaus hineingewachsen ist, versucht er zu vertiefen. Er wird geprägt von der „Devotio moderna“ („neue Frömmigkeit“), einer religiösen Erneuerungsbewegung der damaligen Zeit. In der Begegnung mit Mitgliedern des Kartäuserordens und in der Auseinandersetzung mit Mystikern richtet er sein Leben auf die Botschaft Jesu aus. Bei Petrus Faber (1506-1546), einer der ersten Gefährten des Ignatius von Loyola (1491-1556), macht er in Mainz Exerzitien. Diese neue Form der geistlichen Übungen und die Begegnung mit Faber führen ihn nach Rom, wo er am 8. Mai 1543 – an seinem Geburtstag – dem neugegründeten Orden der Jesuiten beitritt. In Köln gründet er danach das erste deutsche Ordenshaus der „Gesellschaft Jesu“ (nach dem lateinischen Ordensnamen „Societas Jesu“). 1546 wird er in Köln zum Priester geweiht.

Der Lehrer

In der Jesuitengasse und an der Peutingerstraße vor dem Dom in Augsburg sind zwei Hinweistafeln auf den „Jesuitenweg“ von Augsburg über Friedberg, Ottmaring und Gut Mergenthau nach Kissing aufgestellt. Die drei fast lebensgroßen Figuren sind einem Fresko von Oskar Martin Amorbach (1897-1987) von 1936 im Treppenhaus der Hohen Schule in Ingolstadt entnommen. Petrus Canisius zieht mit zwei Mitbrüdern in der ersten bayerischen Landesuniversität ein. Von November 1549 bis Februar 1552 war Canisius als Professor, Rektor, Seelsorger und Vizekanzler in der heute als Ludwig-Maximilians-Universität in München bestehenden Hochschule tätig. Danach lehrte Canisius in Wien. Als der Augsburger Bischof Otto Kardinal Truchseß von Waldburg (1514-1573) die Universität Dillingen 1563 dem Jesuitenorden übergab, war Canisius als Provinzial gefragt, für den Bestand der Universität zu sorgen. Christoph Thomas Scheffler (1699–1756) hat Canisius auf dem Deckenfresko der Studienkirche in Dilllingen am Pult unter dem Universitätswappen sitzend verewigt.

Der Reformer

Kardinal Truchseß von Waldburg und Petrus Canisius sind auch auf der Gedenktafel zur Einweihung im Augsburger Priesterseminar, die der Künstler Claus Nageler (1943-2017) 1991 geschaffen hat, dargestellt. Die Reform der Kirche im 16. Jahrhundert setzt bei der Priesterausbildung an. Canisius ist an der Gründung mehrerer Kollegien beteiligt (z.B. Messina, Prag, Wien, Ingolstadt, Freiburg in der Schweiz). Von Kardinal Truchseß von Waldburg wurde Canisius auch als Berater zum Konzil nach Trient (1545-1563) entsandt. Im Auftrag des Papstes überbrachte er die Ergebnisse des Konzils den deutschen Bischöfen. Auch in der Diözese Augsburg war er, z.B. bei der Durchführung einer Diözesansynode (1567), an der Umsetzung der Konzilsbeschlüsse beteiligt. Das Bronzerelief von Nageler zeigt zu Füßen von Kardinal und Canisius eine kleine kniende Figur in Rückenansicht mit Heiligenschein. Die Reform war so anziehend für junge Menschen, dass der polnische Adelige Stanislaus Kostka (1550-1568) sich auf den Weg nach Dillingen und Augsburg machte, um Canisius zu treffen. Ein Jahr vor seinem frühen Tod wurde Kostka in den Jesuitenorden aufgenommen und 1726 heiliggesprochen.

Der Ratgeber

Die Figur des Petrus Canisius am gleichnamigen Altar im Augsburger Dom ist von acht kleinen Statuetten umgeben. Das von Georg Busch (1862 - 1943) ursprünglich als Denkmal zum 300. Todestag 1897 geschaffene Werk zeigt die Vernetzung von Canisius. Georg und Ursula Fugger, Herzog Wilhelm V. mit seiner Gemahlin Renata von Lothringen, Kardinal Otto Truchseß von Waldburg, der Eichstätter Bischof Moritz von Hutten, Papst Pius V. und Kaiser Ferdinand sind dargestellt. Für all diese Personen und für noch viele mehr war Canisius Ratgeber. Dass diese Aufgabe nicht immer leicht war, zeigt sein Verhältnis zu „seinem Kardinal“. Der Augsburger Bischof Otto Truchseß von Waldburg zeigte zwar Einsicht, wie er sein Leben verändern und sein Amt besser ausfüllen könnte, aber an der Umsetzung scheiterte er – sehr zum Verdruss seines Ratgebers.

Der Glaubensverkünder

Eine Darstellung von Petrus Canisius an der Domkanzel von Karl Killer (1873 – 1948) aus dem Jahr 1946 erinnert daran, dass Canisius von 1559 bis 1566 Domprediger in Augsburg war. Mit seiner Verkündigung wurde der Glaube wieder interessant. Hunderte von Menschen kehrten sich wieder dem katholischen Glauben zu. „Obwohl die Zeit, in die Canisius hineinsprach, dramatisch und voller Zerreißproben war, blieb der Heilige seinem Grundsatz treu, auf überspitzte Polemik zu verzichten, Polarisationen nicht weiter zu schüren und in erster Linie die katholische Lehre sachlich darzulegen, ohne die Gegner auch nur zu nennen, geschweige denn sie anzugreifen“, schreibt Papst Johannes Paul II. (1920-2005) über die Verkündigung von Canisius in einem Brief zum 400. Todestag 1997 an die deutschen Bischöfe.

Der Schriftsteller

Die Erfindung des Buchdrucks spielt für die Reformation eine wichtige Rolle. Kein Wunder, dass für Petrus Canisius der Druck von Büchern ein Werkzeug zur Verkündigung und Festigung des Glaubens war. Auch wenn es schwerfällt, „bei ihm eine besondere Originalität und hohe Geistesflüge zu entdecken“ – wie Papst Johannes Paul II. im eben genannten Brief schreibt -, so beginnt er im Auftrag des Kaisers mit einem Handbuch zur Unterweisung in den Grundfragen des christlichen Glaubens. Aus einem Katechismus wurden drei verschiedene Ausgaben für unterschiedliche Zielgruppen mit über 200 Auflagen. Mit Schriftrolle und Schreibfeder in der Hand wird Canisius 1963 von Sepp Mastaller (1915 – 2004) am Seitenaltar in der Canisius-Kirche im Augsburger Hochfeld dargestellt. „Allergrößten, geradezu weltweiten Ruhm erntete jedoch der selige Petrus Canisius verdientermaßen mit seiner ‚Summe der christlichen Lehre‘“, schreibt Papst Pius XI. (1in „Misericordiarum Deus“ zur Heiligsprechung 1925.

Schuldig und benutzt

Die Position von Petrus Canisius zur Hexenverfolgung ist ein dunkles Kapitel in seinem Leben. Er ist mitverantwortlich, dass sich in Augsburg die Stimmung zugunsten der Verfolgungsbefürworter drehte. Die Seligsprechung von Petrus Canisius im Jahr 1864 war wohl nicht ohne Hintergedanken. Im gleichen Jahr veröffentlichet Papst Pius IX. (1792-1878) mit dem „Syllabus errorum“, eine Auflistung von 80 angeblichen Irrtümern der Moderne in Politik, Kultur und Wissenschaft. Nicht nur der Syllabus sondern auch andere Themen verschärften – im sogenannten Kulturkampf – die Auseinandersetzung mit dem Deutschen Kaiserreich. Vielleicht ist es nicht verwunderlich, dass Canisius, der im Zusammenhang mit dem Trienter Konzil für die Hoheit des Papstes über dem Konzil eintrat, in dem Jahr seliggesprochen wurde, in dem die ersten Vorbereitungen auf das I. Vatikanisch Konzil (1869-1870) beginnen, das die Unfehlbarkeit des Papstes definieren wird. Auch die Heiligsprechung 1925 wird von manchen als eine katholische Reaktion auf die Feiern zum 400-Jährigen Reformationsjubiläum gesehen. Schon am bereits erwähnten Deckengemälde in der Studienkirche in Dillingen tritt Canisius auf den Kopf von Martin Luther (1483 – 1546).

Spuren bis heute

Als Canisius in Augsburg lebte, gab es das Augsburger Jesuitenkolleg in der Jesuitengasse noch nicht. Es wurde erst 1582 gegründet. Nach Peter Rummel (1927-2014) wohnte Canisius wahrscheinlich am Ende des Mittleren Pfaffengässchen, wo sich das Haus Beim Pfaffenkeller 12 befindet. Heute tragen mehrere andere Häuser in Augsburg seinen Namen: Das Verwaltungsgebäude des Bistums neben dem Bischofshaus am Hohen Weg und das gemeinschaftliche Wohnen für 32 Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung der CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH in der Haunstetter Straße nahe des Siebentischwaldes. Auch das Haus im Ottmarsgäßchen 8 trägt noch den Namen "Canisiushaus". Das Schulwerk der Diözese Augsburg vergibt seit 2012 jährlich den Petrus-Canisius-Preis an Schüler, die sich in besonderer Weise für die Schulgemeinschaft an einer katholischen Schule einsetzen. Seit 2017 sind zusätzlich die Kategorien Lehrerprojekte und Schulfamilienprojekte eingerichtet worden. Zu Lebzeiten von Petrus Canisius entstand im Bistum Augsburg– neben Dillingen – nur in Landsberg am Lech (1576) und Friedberg (1587) eine Ordensniederlassung. Die Jesuitenkollegs in Mindelheim (1618) und Neuburg an der Donau (1622) haben wie die anderen Häuser weltweit die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 nicht überlebt. Zur wirtschaftlichen Versorgung der Ordenshäuser gab es Bauerhöfe im Umfeld (z.B. Gut Mergenthau, Echenbrunn bei Gundelfingen, Niederstimm bei Ingolstadt, Schloss Kaltenberg). In der Heimat des Jesuiten-Papstes Franziskus würde man diese Versorgungsgüter „Reduktionen“ nennen.

Themen heute Raum geben

Auch wenn die Nutzung der Räume im Augsburger Dom durch Petrus Canisius historisch nicht belegt ist, so könnten die leerstehenden Zimmer eine Anregung sein, seinen Lebensthemen heute Raum zu geben. Was können wir von Canisius bei der Verbreitung der guten Botschaft Jesu lernen? Der Kathechismus war das Werkzeug in seiner Zeit, welche Medien können die Christen heute nutzen? Die Zeit des Petrus Canisius war von der Reformation geprägt. Im Gegensatz zu der Polemik der damaligen Zeit, sollten sich Christen heute fragen, wie sie die frohmachende Nachricht den Menschen gemeinsam verkünden können. In schwierigen, jahrelangen Verhandlungen hat sich die Kirche zu Reformen durchgerungen. Die Menschen sehnen sich heute danach, dass die theologische Wissenschaft und das kirchliche Lehramt aus der Bibel und der Tradition Antworten auf die Situation der Menschen in der jetzigen Zeit findet. Vielleicht lernen wir an Petrus Canisius auch, dass Heilige und Helden immer auch Menschen sind. Bei allen Gedenktafeln, Straßennamen, Büsten, Standbildern… in unseren Städten und Gemeinden sollten wir uns bewusst sein, dass Menschen immer auch Fehler machen, Kinder ihrer Zeit sind oder auch zur Durchsetzung verschiedenster Interessen auf einen Sockel gehoben wurden. Und das wichtigste: Canisius ist eine Beziehung mit Christus eingegangen, er hat in seinem Leben gebaut auf die Botschaft, das Leben, Sterben und die Auferstehung Jesu und hat sich von dieser Basis aus allen Herausforderungen seines Lebens gestellt.

 

Gebet von Pater Theo Schmidkonz SJ

Jesus,
dein Freund Petrus Canisius
lebt von der Kirche,
leidet an der Kirche,
setzt sich ein für die Kirche,
liebt deine Kirche.
Denn er weiß:
Auch in einer sündigen Kirche
bist du die Seele dieser Kirche.
Wenn wir auf dich, Jesus, hören,
schaffen wir versöhnte Einheit
bei allen Verschiedenheiten und
werden endlich deine Kirche,
eine geschwisterliche Kirche.
Was könnte uns daran hindern?

 

Tagesgebet

Herr, unser Gott,
du hast den heiligen Petrus Kanisius berufen, in Wort und Schrift den katholischen Glauben kraftvoll zu verteidigen.
Höre auf seine Fürsprache. Lass alle, die nach der Wahrheit suchen, dich finden und erhalte deine Gläubigen im Bekenntnis zu dir.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Amen

01.05.2021
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Domprediger Max Steigenberger (1847-1918), der von 1892 bis 1903 auch Kolping-Diözesanpräses war, berichtet in seinem "Bilderbuch meines Lebens": "...es hatte sich doch der Gedanke in mir befestigt dem sel. Petrus Canisius, durch dessen Predigt Augsburg zum guten Teil dem katholischen Glauben erhalten wurde, zu seinem 300 jährigem Jubiläum ein Denkmal an der Stätte seines Wirkens, das ist im Dom dortselbst, zu errichten. Ich glaubte deshalb nichts Besseres tun zu können, als mich direkt und ohne viel Umschweife an den hochwürdigsten Herrn Bischof von Augsburg Dr. Petrus Hötzl, zu wenden. In entgegenkommendster Weise gestattete er dies und besichtigte sofort mit mir einen Platz, wo das Denkmal im Dom am besten angebracht werden könnte."

(Max Steigenberger, Bilderbuch meines Lebens, St. Ottilien 1922, S. 104.)