Stolpersteine vor Kolping-Gelände in der Jesuitengasse verlegt

Gedenksteine künden von menschlichem Leid

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12.10.2022


Am 12. Oktober 2022 wurden vor dem Kolping-Gelände in der Jesuitengasse in Augsburg drei Stolpersteine in Erinnerung an drei Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Das Ehepaar Ernestine und Paul Levi sowie Karoline Dreilich wohnten in der Hausnummer 10 bis sie 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden. Das Grundstück in der Jesuitengasse 10 ist seit 1980 im Besitz von Kolping. Seit 2016 steht an der Jesuitengasse das neue Jugendwohnen der Kolping-Stiftung Augsburg, das jungen Menschen in Ausbildung Heimat bietet.

Karoline Dreilich (Jahrgang 1883), geb. Mayer, stammte aus dem ehemaligen Preßburg (heute Bratislava, Hauptstadt der Slowakei). Sie war gelernte Weißnäherin und verheiratet mit Karl oder Chaksel Dreilich. Er war von Beruf Kaufmann.

Ernestine Levi wurde am 19.01.1913 als Ernestine Dreilich in Pforzheim geboren. Sie blieb das einzige Kind des Paares. 1923 ertaubte Ernestine plötzlich. 1924 wurde eine Augenerkrankung diagnostiziert und 1925 Knochentuberkulose.

Die Familie Dreilieh hatte zunächst in Pforzheim ihren Wohnsitz. Ab dem 08.08.1917 wohnte sie in der Jesuitengasse 10 in Augsburg. 1925 verlor Karoline Dreilich ihren Mann und Ernestine ihren Vater. Chaksel Dreilich verunglückte bei einem Unfall.

Paul Levi, geboren am 25.08.1910 in Niederlahnstein/Rheinlandpfalz, war gelernter Schreiner. Er war wie Ernestine taub. Wegen der den jüdischen Deutschen auferlegten Zwangsmaßnahmen konnten Paul und Ernestine Levi nicht zusammenleben, weder als Verlobte noch als Verheiratete. Beide mussten Zwangsarbeit leisten ­ Ernestine in der Augsburger Ballonfabrik, Paul bei einem Straßenbauunternehmen im Bezirk Niederlahnstein. Zusammen kamen sie zur Eheschließung am 24.01.1942.

Am 13.03.1943 wurden sie gemeinsam mit Karoline Dreilich sowie weiteren 96 jüdischen Augsburger*innen nach Auschwitz deportiert. Karoline Dreilich, Ernestine und Paul Levi wurden in Auschwitz ermordet.

Eine Schülerin des Maria-Ward-Gymnasiums in Augsburg hatte die Geschichte von Karoline Dreilich in einer Seminararbeit erforscht. Daher lasen bei der Verlesung der Steine auch zwei weitere Schülerinnen die Biografie der Opfer vor.

Am gleichen Tag hat der Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung zur Verlegung von weiteren Erinnerungssteinen an drei Orten in Augsburg eingeladen. An Josef (Sepp) Wagner erinnert künftig in der Körnerstr. 1, an die Familie Grossberg in der Hessenbachstr. 7 und an Johann Satzinger in der Schertlinstr. 8 Stolpersteine als Teil des bekannten „Kunstprojekts für Europa“ von Gunter Demnig.

 

 

"Der Ort, an dem wir stehen, ist ein Ort des Gedächtnisses, ist der Ort der Schoah.

Das Vergangene ist nie bloß vergangen. Es geht uns an und zeigt uns, welche Wege wir nicht gehen dürfen und welche wir suchen müssen.

Wie Johannes Paul II. bin ich die Steine entlanggegangen, die in den verschiedenen Sprachen an die Opfer dieses Ortes erinnern: in weißrussisch, tschechisch, deutsch, französisch, griechisch, hebräisch, kroatisch, italienisch, jiddisch, ungarisch, niederländisch, norwegisch, polnisch, russisch, roma, rumänisch, slowakisch, serbisch, ukrainisch, jüdisch-spanisch und englisch.

All diese Gedenksteine künden von menschlichem Leid, lassen uns den Zynismus der Macht ahnen, die Menschen als Material behandelte und sie nicht als Personen anerkannte, in denen Gottes Ebenbild aufleuchtet."

Benedikt XVI. im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau am 28. Mai 2006

12.10.2022
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