Wandergeselle übernachtet im Kolpinghaus
Am Abend vor „Mariä Himmelfahrt“ 2025 wurde Kolpinghaus-Verwalter Werner Benz von der aufsichtführenden Fachkraft der Johannes-Stiftung, die im Kolpinghaus Räume gemietet hat, informiert, dass ein Wandergesell in vollem Ornat (Foto) im Kolpinghaus um ein Nacht-Quartier bat. Werner Benz vereinbarte kurzfristig ein Treffen vor Ort, um alles Weitere zu besprechen. Durch Kathrin F. wurde dem jungen Gast, der sich mittels seines Wanderbuches ausweisen konnte, unbürokratisch ein Therapieraum im Untergeschoss des Neuburger Gesellenhauses als Lagerstätte zugewiesen.
Der freundliche Wanderbursche zeigte sich sehr dankbar für Nachtlager, WC und Waschmöglichkeit. Er hatte im Gepäck eine Isomatte dabei, nahm aber das Angebot für zwei weitere Matten gerne an. Werner Benz wies den Gast in die Gepflogenheiten des Kolpinghauses ein und gab wertvolle Tipps, wo dieser in der Nähe gut essen konnte.
Im Laufe des Gespräches erzählte der Wandergeselle kurz über seinen Lebensweg. Er ist Tischler von Beruf und 23 Jahre alt. Er will nur eine Nacht in Neuburg bleiben. Sein Weg führte ihn -auch mittels Anhalter- von Dresden/Sachsen über verschiedene Stationen hierher. Weiter geht es am nächsten Tag in Richtung Esslingen/ Baden-Württemberg, da er dort eine Aussicht auf Arbeit hat. Außerdem ist ein Zusammentreffen mit anderen Wandergesellen angedacht. Seit September 2024 ist er unterwegs und darf z.B. kein Handy mit sich führen. Telefonate mit Angehörigen oder für die Arbeitssuche sind nur in öffentlichen Telefonzellen erlaubt. Auch Ausgaben für Eisenbahn- oder Taxifahrten sind nicht gestattet. Ebenso keine Kosten für die Übernachtungen. Er muss drei Jahre und einen Tag diese Wanderschaft mit Eintragungen im Wanderbuch durchhalten und darf nicht näher als 50 Kilometer an seinen Heimatort zurückkehren. Durch die Mundpropaganda seitens anderer Wanderburschen ist ein Kolpinghaus immer ein willkommener Übernachtungsplatz. Deshalb hat er sich zum Neuburger Kolpinghaus durchgefragt. Es war sehr interessant, die Schilderungen des jungen Wandergesellen aus erster Hand und mit erfrischender Begeisterung zu erfahren.
Da er am nächsten Morgen schon um 7.00 Uhr weiter und auf das angebotene Frühstück verzichten wollte, wünschten ihm Werner Benz und Kathrin F. alles Gute und verabschiedeten sich mit einem kleinen Obolus für seinen weiteren Weg mit einem herzlichen „Treu Kolping“ aus der Obhut des Kolpinghauses. Der Wandergeselle antwortete: „Mit Gunst und Verlaub, ich bin ein ehrbarer Handwerksbursch auf der Walz und vielem Dank für Euch“. Dieser Dank gilt natürlich auch der St. Johannes-Stiftung für das umsichtige Handeln und die Unterstützung bei dieser christlichen Tat!
Klaus Benz
Aus der Wanderordnung des Katholischen Gesellenvereins (heute Kolpingwerk bzw. Kolpingsfamilie)
„Die vom Gesellenvater Adolph Kolping selbst eingerichtete Wanderfürsorge ist eine der schönsten und wichtigsten Aufgaben des Kath. Gesellenvereins, der sich kein Verein entziehen darf…
Aktive Mitglieder, die wenigstens 3 Monate definitiv aufgenommen sind, erhalten bei ihrer Abreise aus einem Verein ein Wanderbuch…
Neben dem Wanderbuch muss das wandernde Mitglied seine Mitgliedskarte bei sich führen, in der die Zahlung er Monatsbeiträge bis zum Beginn der Wanderschaft durch die Beitragsmarke quittiert sein muss…
Jeder dem Gesamtverein angeschlossene Gesellenverein ist verpflichtet, den mit Wanderbuch und Mitgliedskarte ordnungsgemäß zureisenden Mitgliedern eine frei Nachtherberge im Hospitium [= Kolpinghaus] oder in einer ordentlichen, vom Vorstande bestimmten Herberge zu gewähren. Zwei freie Nachtherbergen werden allen Mitgliedern gewährt, wenn sie an einem Samstage oder am Vorabende eines gebotenen Feiertages zureisen. Wenn die Mittel des Vereins es gestatten, erhalten die Zugereisten neben freiem Nachtquartier auch die ortsübliche Verpflegung…
Eine Unterstützung in Geld soll aus Mitteln des Vereins oder der Hospitien unter keinen Umständen gewährt werden…
Die Zahl der frei zu gewährenden Nachtquartiere beträgt im ersten Jahre der Mitgliedschaft nicht mehr als 30…
Nimmt ein wanderndes Mitglied an einem Orte Arbeit an, so ist es gehalten, sich binnen 8 Tagen bei dem betreffenden Gesellenverein… anzumelden.“
Zitiert aus: Generalsekretariat des Kath. Gesellenvereins (Hrsg.), Handbuch des Katholischen Gesellenvereins, Köln, 1929, S. 32 ff.