Zukunft aus einem Guss
Am 31. Oktober 2025 stand im Kolpinghaus Kaufbeuren die Frage im Mittelpunkt, welche Perspektiven der Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD für die Zukunft der Sozialen Sicherungssysteme bietet und welche Standpunkte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmerorganisationen (ACA) im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben dazu einnimmt. Michael Breitsameter, Bezirksvorsitzender der ACA aus Diedorf, begrüßte den Allgäuer Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke, der als erfahrener Sozialpolitiker und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Deutschen Bundestag fungiert. Stracke präsentierte seine Idee einer umfassenden Reform der Sozialversicherungen unter dem Motto „Agenda 2030“.
Insgesamt versammelten sich 23 Personen aus den drei Mitgliedsverbänden der ACA-Schwaben (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung KAB, Evangelische Arbeitsgemeinschaft für soziale Fragen in Bayern und Thüringen EAG sowie das Kolpingwerk), um mit Stracke über die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Sozialversicherungen zu diskutieren und zu erörtern, wie bei einer Reform Gerechtigkeit gewährleistet werden kann.
Kernforderungen der ACA
Die Mitglieder des ACA-Bezirksvorstands stellten den Reformvorschlägen aus dem Koalitionsvertrag die spezifischen Forderungen der ACA gegenüber. Dabei wurden wesentliche Punkte angesprochen, wie:
- Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen in die gesetzliche Rentenversicherung.
- Vollumfängliche Finanzierung sogenannter versicherungsfremder Leistungen über Steuermittel.
- Schrittweise Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze.
- Wechselverbot in die private Krankenversicherung.
- Konsequente Umsetzung einer Krankenhausstrukturreform.
Stephan Stracke reagierte kompetent auf diese Anliegen und erläuterte die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansätze.
In Bezug auf die Rentenversicherung verwies er auf das Jahresgutachten 2023/2024 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, das verschiedene Reformoptionen detailliert darstellt. Er betonte, dass umfassende Umbauten der Rentenversicherung, beispielsweise nach dem Modell Österreich oder Schweden, keine Lösungen für die Herausforderungen durch das Ausscheidenden der sogenannten Baby-Boomer aus dem Arbeitsmarkt bieten, da solche Reformen nur langfristig umsetzbar seien. Zudem äußerte er Vorbehalte gegenüber der Einbeziehung weiterer Gruppen als Beitragszahler, da dies auch die Ansprüche erhöht. Für Stracke gehört zur Reform des Rentensystems ein Ausbau der betrieblichen Alternsvorsorge und eine Stärkung der privaten Altersvorsorge.
Als Denkoption bezeichnete er den Einbezug aller Einkommensarbeiten in den Beitrag der Kranken- und Pflegeversicherung.
In Bezug auf die Pflegeversicherung verwies Stracke auf die Beobachtungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ und rief dazu auf, ihre Ergebnisse abzuwarten. Generell müsse auch über eine Abschaffung der sogenannten „Mini-jobs“ nachgedacht werden, da sie die Sozialen Sicherungssysteme nicht stabilisieren.
Stracke wünschte sich eine ressortübergreifende Herangehensweise, um die notwendigen Reformen der Sozialversicherungen „in einem Guss“ als „Agenda 2030“ zu entwickeln, zu kommunizieren und umzusetzen. In Anbetracht der aktuellen Situation sehe er in der getrennten Behandlung der Reformen eine erhebliche Gefahr für die Stabilität und Verunsicherung im Land.
Abschluss und Dank
„Wir sind überzeugt, dass es mit kosmetischen Maßnahmen – wie oft in der Vergangenheit – nicht getan ist“, sagte Bezirksvorsitzender Michael Breitsameter im Blick auf die anstehenden Reformen und dankte Stracke für dessen Anregungen und die offene Diskussion.
Stellvertretende Vorsitzende Renate Hofner (KAB) aus Augsburg überreichte Stracke als Dank einen Meterstab mit dem ACA-Motto „Der Mensch ist unser Maßstab“.
Zu Beginn des Abends stimmte Ulrich Hoffmann aus Weißenhorn, Präsident des Bundesverbands des Familienbundes der Katholiken (FDK) und ehrenamtliches Mitglied im Direktionsbeirat der AOK Günzburg, mit einem Zitat von Franz von Sales ein.
Für den Abend der Sozialen Selbstverwaltung waren die ehrenamtlichen Mandatsträgerinnen und –träger der ACA-Schwaben in den Gremien der gesetzlichen Krankenkassen, der Rentenversicherung Schwaben, der Berufsgenossenschaften, die ehrenamtlichen Richter an den Sozial- und Arbeitsgerichten sowie die ehrenamtlichen Versichertenberater für Rentenfragen eingeladen. Zum Abschluss der Veranstaltung informierte Renate Hofner, die im Vorstand der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Schwaben tätig ist, dass im Dezember aus den Reihen der ACA-Mandatsträger eine Person für den Vorsitz der Vertreterversammlung der DRV kandidieren wird.
Franz Nusser aus Buchloe, Mitglied des Kolping-Diözesanvorstands, präsentierte eine Handreichung zu den Kommunalwahlen des Kolpingwerkes Landesverband Bayern. Max Weinkamm, Mitglied im Diözesanrat der Katholiken im Bistum Augsburg und ehemaliger Sozialreferent der Stadt Augsburg, stellte die Erklärung „Zielvisionen eines Rentensystems auf vier Säulen“ vom März 2025 vor. Im Namen aller Anwesenden dankte Renate Hofner Karl Schneider aus Gerstetten, der sich über lange Jahre für das Kolpingwerk als Schriftführer ehrenamtlich im Vorstand der ACA engagiert hat.
Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Arbeitnehmerorganisationen (ACA) wurde 1907 als erste ökumenische Initiative gegründet, um die Sozialversicherung in Deutschland mitzugestalten. Gemeinsam treten die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), der Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen (BVEA; für Bayern die EAG) und Kolping bei den Sozialwahlen an. Mit ihren Vertreterinnen und Vertretern stehen die Verbände für ein Engagement im Sinne der Versicherten in den Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und in der Rentenversicherung. Die ACA versteht sich als Sprachrohr und Anwalt für Freiheit und Menschenwürde in der Berufs- und Arbeitswelt. Engagiert bringt sie christliche Überzeugungen in die Gremien der sozialen Selbstverwaltung und in die ehrenamtliche Gerichtsbarkeit an Arbeits- und Sozialgerichten ein.



